Originalautor ist Timo Leuders.
Einführung
Es gibt Fragen, die die Entwicklung der Mathematik über Kulturen und Jahre hinweg begleiten. Eine dieser Fragen ist die folgende: Wie findet man eine unbekannte Größe x, von der man einige Bezie- hungen kennt, wie zum Beispiel – in der heutigen algebraischen Notation – diese:
![\[x^2 =x+5\]](https://blog.kleinproject.org/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-806ecb0da5a22f568776b02af0cb3552_l3.png "Rendered by QuickLaTeX.com")
Wie man Lösungen zu solchen quadratischen Gleichungen findet, ist im Grunde bereits seit der babylonischen Zeit bekannt und ist ein Herzstück der Schulmathematik:
![\[x^2-x-5=0 \, \Rightarrow \, x=\frac{1}{2}+\frac{1}{2} \sqrt{21} \, \vee \, x=\frac{1}{2}-\frac{1}{2} \sqrt{21}\]](https://blog.kleinproject.org/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-e2f05ff82f42e031131cae247ab865e5_l3.png "Rendered by QuickLaTeX.com")
Aber wie steht es mit 
, eine Gleichung, die nur wenig anders aussieht? Gibt es dafür auch direkte Wege, die Lösungen zu berechnen? Sehen die Lösung in ähnlicher Weise symmetrisch aus?
Das Streben nach dem Lösen von Gleichungen hat Mathematiker dazu inspiriert, neue Konzepte wie die negativen, reellen oder komplexen Zahlen zu erfinden (manche würden eher sagen: zu entde- cken). Doch eine Polynomgleichung wie das zweite Beispiel zu lösen, hat fünfhundert Jahre lang schwerwiegende Probleme aufgeworfen. Warum ist das so schwierig? Lassen Sie uns für einen Mo- ment schummeln und ein Computer Algebra Sysem (CAS) fragen – was natürlich alles nutzt, was über das Lösen von Gleichungen bekannt ist.
![\text{Solve} [x^4 - 5x^2 + 4 == 0, x]](https://blog.kleinproject.org/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-9c2cb7b4d92ac975172368dd44a718bd_l3.png "Rendered by QuickLaTeX.com")
![\text{Solve} [x^4 - 5x2 + 3 == 0, x]](https://blog.kleinproject.org/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-0f8f6300c5497131e204499d645cbf19_l3.png "Rendered by QuickLaTeX.com")
![\text{Solve}[x^4 - 5x + 1 == 0, x]](https://blog.kleinproject.org/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-3398008f43353219fd1d56714ee888a6_l3.png "Rendered by QuickLaTeX.com")
Schließlich: Für ![\text{Solve}[x^5 + x + 5 == 0, x]](https://blog.kleinproject.org/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-78cbfededf4fcd1a4b8aae0274c93884_l3.png "Rendered by QuickLaTeX.com")
gibt das CAS auf und wirft keine Lösung aus.
Was ist da los? Wieso führt so eine scheinbar kleine Änderung der Gleichung zu so schwerwiegenden Problemen bei der Darstellung der Lösung? Welches ist die Struktur der Gleichung, die letztendlich über die Existenz oder die Komplexität einer Lösung entscheidet? Die Antwort auf diese Fragen ist: Es liegt alles an der Symmetrie der Gleichung! Aber was genau ist die Symmetrie einer Gleichung?
Die geschichtlichen Versuche, ein generelles Lösungsschema für Polynomgleichungen zu finden, ha- ben schließlich zu einer Wandlung von der klassischen Algebra (als die Kunst des Lösens von Glei- chungen) hin zur modernen Algebra (als die Analysis von Struktur und Symmetrie) geführt. Ein Höhe- punkt in dieser Entwicklung war die Arbeit von Évariste Galois (1811-1832). Dieser kurze Text ist der Versuch einer weniger technischen Wiedergabe von Galois‘ Ideen, und will mithilfe von Beispielen erklären, was es bedeutet, beim Versuch, Gleichungen zu lösen die „Struktur und Symmetrie“ zu betrachten.